Was bedeutet gesunde Führung?
Viele Unternehmen sind sich im Klaren darüber, dass die Arbeitsbelastung, insbesondere aufgrund des Fachkräftemangels, zunimmt. Zudem wissen sie, dass die Aufgaben für die Mitarbeitenden komplexer, vielschichtiger und schwerer zu handhaben sind bei einem gleichzeitig zu geringen Personalschlüssel. Obwohl bereits Maßnahmen ergriffen wurden, den Stress zu reduzieren und die Gesundheit der Mitarbeitenden und Führungskräfte zu fördern, kommt es zu steigenden Fehlzeiten, Produktionsausfällen und einer sinkenden Performance. Die Führungskräfte stehen ebenfalls unter hohem Druck, was ihre eigene Gesundheit negativ beeinflussen kann. Mit einem Blick auf alle diese Aspekte ist es für Unternehmen wichtiger denn je, Wert auf eine gesunde Führung zu legen.
Im Kontext der gesunden Führung wird oft davon gesprochen, dass die Führungskraft für einen gesunden Arbeitsplatz sorgt. Doch sie bedeutet weit mehr als ein gesunder Obstkorb, ein Wasserspender oder Rückenkurse anzubieten. Unserer Meinung nach sollte die Führung das Wohlbefinden der Mitarbeitenden fest in den Unternehmenszielen verankern. Wichtig ist hierbei herauszukristallisieren, dass gesunde Führung weit mehr ist als Gesundheitsförderungsmaßnahmen und dass Führungskräfte einen großen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden haben – mehr sogar, als sie vielleicht denken.
Der Einfluss von Führungskräften auf die Gesundheit der Mitarbeitenden
Aus der Praxis ist bekannt, dass Führungskräfte häufig ihren Einfluss auf die Gesundheit ihrer Beschäftigten, was die Gestaltung von Rahmen- und Arbeitsbedingungen, aber auch ihre Vorbildwirkung anbelangt, unterschätzen. Oftmals suchen Führungskräfte eher bei den Mitarbeitenden als bei sich selbst nach Ursachen. Eine interessante Untersuchung dazu stammt von Ruppert und Gerstenberger aus dem Jahr 2001 (Ruppert, F., Gerstberger, C. (2001). Sicherheits- und Gesundheitskultur II Faktoren eines ganzheitlichen Verständnisses. In: Zimolong, B. (eds) Management des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Gabler Verlag, Wiesbaden). Vorgesetzte nannten hier z. B., dass medizinische Faktoren wie degenerative Erkrankungen, körperliche Beanspruchungen, unfallbedingte Verletzungen etc. oder persönliches Verhalten im Umfeld sowie private Probleme Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden haben. Einflussfaktoren aus dem Arbeitsumfeld wurden hingegen nicht genannt. Wie groß der Einfluss von Führungskräften auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden ist, wird ebenfalls in zahlreichen Studien behandelt. In der Untersuchung Führungsverhalten und Gesundheit“ von S. Gregersen, S. Kuhnert, A. Zimber und A. Nienhaus liegt der Anteil von Führungskräften bei emotionaler Erschöpfung bei 8 bis 30 % und der auf die Arbeitszufriedenheit bei circa 50 %. (Weitere Studien dazu sind Gregersen, Kuhnert, Zimber und Nienhaus, 2011; Kanste, Kyngas u Nikkila, 2007; Seltzer, Numerof u Bass 1989; Seltzer u Numerof 1988; Stordeur, D´hoore u Vandenberghe, 2001; Vincent, 2011). Wird zum Beispiel der Einfluss über ein explizit gesundheitsförderliches Führungsverhalten erfasst, dann beträgt die Varianz-Aufklärung von Führung auf das Kriterium emotionaler Erschöpfung 25 %, so die Studie von Vincent 2011.
Führung und psychische Gesundheit
Führung ist somit ein zentraler Einflussfaktor auf die psychische Gesundheit, aber nicht der einzige. Im Gesundheitsreport des BKK-Bundesverbandes gaben bereits 2008 ein Drittel von mehr als 6.000 befragten Arbeitnehmenden an, dass sie sich durch das Verhalten ihrer Vorgesetzten deutlich fehlbeansprucht fühlen. Zum Beispiel durch zu wenig Lob oder übermäßige Kontrolle. Sie nennen das Führungsverhalten als einen der drei Hauptgründe für psychische Fehlbeanspruchung. Gerade in unserer heutigen Zeit gewinnt diese psychische Komponente immer mehr an Bedeutung, da viele Menschen zunehmend mehr belastet sind. Faktoren wie z. B. Digitalisierung, Veränderungen, der Krieg usw. zahlen darauf ein. Ein Blick auf aktuelle Zahlen zeigt, dass die psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, einen gesundheitsförderlichen Führungsstil zu etablieren, um Stressoren eines ungünstigen Führungsverhaltens zu reduzieren und gleichzeitig die Ressourcen zu erhöhen.
Selbstverständlich gilt es hierbei immer auch die komplexe Gesamtsituationen der Unternehmen zu berücksichtigen, denn das Führungsverhalten ist an gesamtbetriebliche Rahmenbedingungen gebunden. Sowohl die Unternehmensführung als auch das Personalmanagement gestalten die Grundlagen bzw. die Voraussetzung für ein gesundheitsförderliches Führungsverhalten. An dieser Stelle möchten wir noch einmal herausstellen, dass das Wohlbefinden der Beschäftigten zu den Unternehmenszielen gehören und dementsprechend auch in der Führung verankert werden sollte.
Die Führungskraft als Vorbild
Das Führungsverhalten kann sowohl als Ressource als auch als Stressor wirken, wie Studien, Reviews und Metaanalysen von Gregersen et al. im Publikationszeitraum zwischen 1990 und 2009 zeigen. Es liegen zahlreiche weitere Studien vor, die den Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten und der Gesundheit als Ressource bestätigen, sprich, die gesundheitsförderliche Wirkung von Führung belegen.
Aufgrund ihrer Rolle als Vorbild und in ihrer Verantwortung für die eigene Leistung und Gesundheit sowie für jene ihrer Mitarbeiter, sollte der Fokus in Unternehmen auch darauf liegen, dass die Führung gesundheitsförderlich gestaltet wird. Das hat Badura et al. bereits 2011 zum Gegenstand einer Studie gemacht. Führung und Resilienz bekommen dort einen besonderen Stellenwert.
In vielen Unternehmen ist die Führungsrolle vor allem fachlich geprägt. Häufig werden Mitarbeitende aufgrund ihrer hohen Expertise befördert oder weil sie schon lange im Unternehmen sind und jeden Arbeitsschritt kennen. In den seltensten Fällen verfügen diese Mitarbeitenden über spezielle Qualifikationen in der Führung von Mitarbeitenden. Das unterscheidet sich gravierend von anderen Tätigkeiten, wie zum Beispiel der von Fachkräften, die über ein bestimmtes Studium oder andere Eignungen verfügen müssen. Vor dem Hintergrund komplexer organisatorischer Steuerungsaufgaben reicht dies jedoch nicht mehr aus, um Mitarbeitende erfolgreich zu führen. Zukünftig brauchen Führungskräfte verstärkt eine gute Balance zwischen ihrer fachlichen, organisatorischen und persönlichen Rolle. In einer sich ständig verändernden Arbeitswelt sind Mitarbeitende das wichtigste Leistungspotenzial eines Unternehmens und Führungskräfte tragen die Verantwortung für sie, und zwar nicht nur hinsichtlich ihrer Leistungen, sondern auch bezüglich ihrer Gesundheit.
Unterstützung anbieten und Gesundheit vorleben
Es gibt mittlerweile viele Studien, die den Zusammenhang zwischen Führung und der Gesundheit von Beschäftigten belegen. Dies betrifft sowohl deren Wohlbefinden als auch gesundheitliche Beeinträchtigungen (Rigotti et al. 2014; Mourlane et al. 2013). So sind beispielsweise gestresste Führungskräfte weniger dazu in der Lage, ihre Mitarbeitenden zu unterstützen, was sich direkt auch auf deren Stressniveau auswirkt. (Belegt durch Roche et al. 2014 ). Weitere Studien belegen einen Ansteckungsprozess, den sogenannten „tickle-down-effect“, von Emotionen des Vorgesetzten auf die Mitarbeitenden. Diese Übertragung gilt sowohl für positive als auch für negative Gefühle und kann das Wohlbefinden am Arbeitsplatz maßgeblich beeinflussen (Brummelhuis et al. 2014 oder Rigotti et al. 2014). Führungskräfte sollten u.a. die Eigenverantwortung und Selbstorganisation bei ihren Mitarbeitenden fördern, Gestaltungsmöglichkeiten schaffen und möglichst viele positive Emotionen ermöglichen, denn dadurch wird die Führung zur Ressource. Führungskräfte sind heute auch dafür da, die Mitarbeitenden zu unterstützen und das gelingt sehr gut durch einen gesunden Führungsstil, den sie natürlich auch vorleben sollten.
Wie steht es um die eigene Gesundheit der Führungskraft?
Eine gesunde Führungskraft ist viel besser in der Lage, auch andere gesund zu führen. In Unternehmen zum Beispiel, in denen die Geschäftsführung auf ihre eigene Gesundheit achtet, haben die Mitarbeitenden um 8 % bessere Werte im Bereich psychischer Gesundheit als in anderen Unternehmen. In solchen Unternehmen ist auch die gesunde Führung des mittleren Managements um 90 % und die des unteren Managements um 32 % verbessert. Das ergab die Top Job Trendstudie für den Mittelstand der Universität St. Gallen im Auftrag von Compendia 2013.
Die Grundannahme hier ist, dass Führungskräfte, die auf sich achten, auch verstärkt die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen. Auch wird dadurch das Verhalten der Führungskraft in Bezug auf die Gesundheit von den Mitarbeitenden als authentisch erlebt. Der große Einfluss wird dadurch deutlich, dass die Führungskraft durch ihr Verhalten unausgesprochene Regeln definiert. Hält sie zum Beispiel keine Pause ein, wirkt sich das auch auf die eigenen Mitarbeitenden aus. Diese denken, sie selbst dürften ebenfalls keine Pausen machen und wenn doch, würde dies negativ auffallen. Es kann vorkommen, dass die Führungskraft zwar Wert darauf legt, dass die Mitarbeitenden Pausen einlegen, doch sich selbst nicht daran hält. In einem solchen Fallt sollte ihr bewusst sein, dass die Mitarbeitenden dies falsch interpretieren können. Das gleiche gilt für das Thema „Stress“. Wenn Vorgesetzte sich nicht mit dem eigenen Stresserleben, persönlichen Belastungsfaktoren und Ressourcen auseinandersetzen, können sie ihre Mitarbeitenden bei diesen Aspekten kaum angemessen einschätzen oder unterstützen (vgl. Studie Ducki 2009; Stadler & Spieß 2002).
Aspekte für gesundheitsförderliche Selbstführung
Bei gesunder Führung spielt vor allem die Selbstführung eine maßgebliche Rolle. Ausgehend von der gesundheitspsychologischen Forschung sind folgende Aspekte dafür relevant (Franke und Felfe 2011):
- Die Bereitschaft, sich mit der eigenen Gesundheit und gesundheitlichen Risiken bewusst auseinanderzusetzen. Hier kommen auch Punkte wie Achtsamkeit, Resilienz und Selbstfürsorge zum Tragen. Im Kern geht es darum, dass Führungskräfte selbst erkennen, wenn gesundheitlich etwas nicht stimmt.
- Gesundheitsförderliche Verhaltensweisen und Maßnahmen kennen und umsetzen. Gesunde Führung beinhaltet, dass die Führungskraft weiß, wie man übermäßigen Belastungen vorbeugen kann und dies aktiv umsetzt.
- Hoher Stellenwert der Gesundheit im Vergleich zu anderen Werten bzw. Gesundheitsvalenz. Dies bedeutet, dass gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz gezielt abgebaut werden.
- Gesundheitsorientiertes Führungsverhalten. Darunter ist zu verstehen, dass die eigenen Belastungen durch eine optimierte Arbeitsweise reduziert werden. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass man Prioritäten setzt, für ungestörtes Arbeiten sorgt, einen Tagesplan hat usw.
Die gesundheitsorientierte Selbstführung dient als Vorbild und Anregung für Mitarbeitende. So belegen die Studienergebnisse von Franke und Felfe, dass sich die Vorbildwirkung positiv auf die Gesundheit der Mitarbeitenden auswirkt. Mitarbeitende hingegen, die in der Führung kein Vorbild für die eigene Gesundheit sahen, berichteten vier Monate später über eine fast vierfach erhöhte Irritation und mehr als doppelt so viele psychosomatische Beschwerden verglichen zu den Mitarbeitenden, die in ihrer Führungskraft ein Vorbild sahen.
Fazit: gesunde Führung ist eine der Kompetenzen von Morgen
Gesunde Führung wird in Anbetracht der immer komplexer werdenden Arbeitswelt zunehmend wichtiger. Es gilt, Führungskräfte dahingehend fit zu machen, damit sie die Zusammenhänge zwischen optimaler Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der Gesundheit der Mitarbeitenden verstehen. Ebenso ist es für Führungskräfte wichtig, einen achtsamen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu pflegen und gesunde Selbstführung zu erlernen, damit sie und deren positive Effekte für sich selbst, die Mitarbeitenden, das Unternehmen und den Erfolg nutzen können.
Wir unterstützen und begleiten Unternehmen aktiv auf dem Weg zu einer gesunden Performance. Zum Beispiel mit unseren Führungskräfteentwicklungs-Angeboten, individuellen Trainings oder Workshops. Rufen Sie uns gerne an, schreiben Sie uns oder vernetzen Sie sich mit uns auf LinkedIn.